Niedersächsisches Suchtpräventionskonzept
- Das neue niedersächsische Suchtpräventionskonzept basiert auf der in Folge der Landtagsentschließung1 von der Niedersächsischen Drogenbeauftragten in Auftrag gegebenen und 2018 veröffentlichten Studie „Prävention und Hilfe bei stoffgebundenen und stoffungebundenen Suchterkrankungen in Niedersachsen“ (Rehbein et al. 2018) sowie der Aktualisierung der Handlungsempfehlungen im Abschlussbericht „Jugendliches Konsumverhalten und Inanspruchnahme von suchtpräventiven Angeboten in Niedersachsen“ (Rehbein & Oschwald 2021). Ziel war es, die niedersächsische Suchtprävention auf der Basis valider Daten zu modernisieren und zu stärken. Es wurde von einem ressortübergreifenden Facharbeitskreis der Landesministerien erarbeitet und berücksichtigt sowohl die Nationale Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik der Bundesregierung, als auch europäische Vereinbarungen wie die EU-Drogenstrategie 2021-2025 und internationale Standards der Welt- gesundheitsorganisation (WHO) und der Vereinten Nationen (UN) zur Prävention des Drogenkonsums. Abhängigkeitserkrankungen sind weit verbreitet und stellen ein ernsthaftes gesellschaftliches Problem dar, das erhebliche individuelle und soziale Schäden sowie hohe Folgekosten für die Gesellschaft verursacht (DHS 2020a; DHS 2021a). Aktuell ist durch die Corona-Pandemie mit einem Anstieg der stoffgebundenen und stoffungebundenen Suchterkrankungen aufgrund zunehmender psychosozialer Belastungsfaktoren insbesondere für vulnerable Gruppen zu rechnen. Zudem ergeben sich weitreichende Folgen für die Suchtprävention aus den noch in dieser Legislaturperiode von der Regierungskoalition der Bundesregierung vorgesehenen Änderungen im Umgang mit Cannabis2. Zielsetzung der Suchtprävention ist auch bei diesen Veränderungen der bestmögliche Schutz vulnerabler Gruppen, insbesondere von Kindern und Jugendlichen. In Niedersachsen gibt es etwa 1,3 Mio. Betroffene mit einer substanz- oder verhaltenssuchtbezogenen Störung, d. h. jede/r Sechste ist direkt betroffen. Hinzu kommen zahlreiche Menschen aus dem sozialen Umfeld, die indirekt betroffen sind, insbesondere Kinder und Partnerinnen und Partner, Arbeitskolleginnen und Arbeitskolleg etc.. Folgerichtig ist die Stärkung der Suchtprävention eine zwingend notwendige gesundheitspolitische Daueraufgabe, die das Land Niedersachsen seit Jahren unterstützt. Das Suchtpräventionskonzept dient dem fachlichen Austausch, soll die Gestaltung der Suchtprävention auf allen Ebenen unterstützen, zur Systematisierung beitragen und hat zum Ziel die Suchtprävention in den Lebenswelten zu verstärken. Das Konzept orientiert sich an den vorliegenden Erkenntnissen der Präventionsforschung zur Steigerung der Wirksamkeit und Effektivität von Präventionsmaßnahmen und legt ein möglichst evidenzbasiertes und zugleich praktikables Vorgehen in der Suchtpräventionspraxis nahe. Es präferiert den Settingansatz (Lebensweltenansatz) für suchtpräventive Interventionen und unterstreicht in diesem Zusammenhang den Stellenwert der Kommune als zentrales suchtpräventives Setting, das alle anderen relevanten Settings, beispielsweise auch den Arbeitsplatz, umfasst. Zugleich wird mit dem Konzept ein Schwerpunkt auf die besondere Bedeutung der Netzwerkarbeit in der Suchtprävention gelegt, da Suchtprävention eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Es bietet allen Handelnden auf dem Gebiet der Prävention, die zu einer effektiven Suchtprävention in Niedersachsen beitragen möchten, die Möglichkeit, sich im Sinne der Zielsetzung des Konzeptes zu engagieren. Das Land Niedersachsen verfolgt mit der Suchtprävention das Ziel, den Menschen im Land über die gesamte Lebensspanne ein möglichst gesundes Leben ohne Substanzkonsumstörungen und abhängige Verhaltensweisen zu ermöglichen. Leitziele der niedersächsischen Suchtprävention sind: 1. Gesellschaftliche Strukturen und prosoziale individuelle Verhaltensweisen stärken, die die Gesundheit fördern. 2. Den Einstieg in den Konsum psychoaktiver Substanzen bzw. problematischer Verhaltensweisen insbesondere bei Kindern und Jugendlichen verhindern bzw. mindestens hinauszögern. 3. Bei Konsum psychoaktiver Substanzen bzw. problematischer Verhaltensweisen über die gesamte Lebensspanne und bei allen Bevölkerungsgruppen einen gesundheitsverträglichen, risikoarmen und -bewussten Umgang bzw. Verzicht fördern und unterstützen. Zudem verfolgt das Land Niedersachsen das Ziel gesundheitsförderliche Ressourcen zu stärken, um im Arbeitsleben die steigenden und sich ändernden Anforderungen bewältigen und aktiv an der Gestaltung des Arbeitslebens teilnehmen zu können, ohne problematisch zu konsumieren oder abhängige Verhaltensweisen zu entwickeln. Neben den Substanzkonsumstörungen3 (z. B. Alkohol, Nikotin4 , illegale Drogen, Medikamente) erstreckt sich das suchtpräventive Konzept gleichermaßen auch auf die verhaltenssuchtbezogenen (stoffungebundenen) Störungen, die u. a. durch Glücksspiele und den exzessiven Gebrauch von Internet und Medien hervorgerufen werden können. Mit dem Suchtpräventionskonzept wird präventiv auf neue zu- nehmende Gefährdungspotenziale und Probleme eingegangen und proaktiv neuen Abhängigkeitsstörungen begegnet. Zudem hat das Konzept eine inklusive und teilhabeorientierte Ausrichtung. Dabei wird die Diversität der Zielgruppen berücksichtigt. Hier sind insbesondere genderspezifische Aspekte und die kulturelle Vielfalt zu beachten. Im Mix von Verhaltens- und Verhältnisprävention setzt das Konzept im Einklang mit den Empfehlungen der Studie von Rehbein et al. (2018) auf eine verstärkte Schwerpunktsetzung in der Verhältnisprävention und selektiven Prävention. Dies bedeutet eine stärkere Ausrichtung der suchtpräventiven Maßnahmen auf Risikogruppen, insbesondere gefährdete Jugendliche, sowie auf eine Stärkung wirksamer verhältnispräventiver Ansätze und Maßnahmen, wie höhere Steuern für legale Suchtstoffe, Werbeverbote etc., die dazu beitragen können, die Lebenswelten von Menschen gesundheitsförderlicher zu gestalten. Zugleich werden universelle und auch selektive Präventionsansätze weiter unterstützt.
Author: | Knut Tielking, Manfred Rabes |
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URL: | https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&opi=89978449&url=https://www.ms.niedersachsen.de/download/184978/Suchtpraeventions-_konzept_2022.pdf&ved=2ahUKEwj4zNum1PeLAxWDSvEDHUlZIL0QFnoECCEQAQ&usg=AOvVaw24LrKb3StYY7jflwuRNnT0 |
Publisher: | Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung |
Place of publication: | Hannover |
Document Type: | Book |
Language: | German |
Date of Publication (online): | 2025/02/19 |
Release Date: | 2025/03/07 |
Tag: | Konzept; Suchtprävention |
Pagenumber: | 118 |
Institute: | Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit |
Research Focus Area: | Ressourcenorientierung im Spannungsfeld von Individuum und Gesellschaft (ROSIG) |